Was ist Strategie? Definition, Abgrenzung und häufige Missverständnisse
Alle reden von Strategie. Heute gibt es für nahezu alles eine Strategie. Gemeint ist aber häufig etwas anderes, nämlich eine Vorgehensweise um etwas zu erledigen. Das Wort Strategie soll einem Gedankengang Gewicht und Autorität verleihen. Wenn ich etwas als Strategie bezeichne, dann ist das automatisch „besser“.
Es wird inzwischen nahezu alles als Strategie bezeichnet, was mehr als zwei Gehirnzellen benötigte um es sich auszudenken. Nicht selten werden im unternehmerischen Kontext banale Dinge vermeintlich wichtiger gemacht, indem man ihnen das Wort Strategie voran stellt. Strategische Planung zum Beispiel. Ein Widerspruch in sich. Denn ein Plan ist keine Strategie.
Strategie vs. Taktik vs. Maßnahmen: Die wichtigsten Unterschiede
Strategie und Taktik – zwei Begriffe, die eng miteinander verbunden sind. Am ehesten geläufig sind uns diese beiden Begriffe aus dem militärischen Kontext. Die meisten Menschen würden spontan behaupten, den Unterschied zu kennen.
Tatsächlich sind diese beiden Begriffe derart eng miteinander verbunden, dass wir sie nicht selten synonym füreinander verwenden. Und genau darin liegt das Problem: Strategie und Taktik sind nicht dasselbe! Wenn es sich bei den Überlegungen um eine Ansammlung von Handlungen handelt, um etwas zu erreichen, handelt es sich um einen Plan. Also streng genommen noch nicht mal um Taktik. Denn Taktik würde die Methoden oder Vorgehensweisen beschreiben.

Also wurde hier hierarchisch betrachtet der höherwertigere Begriff für die kleinste Einheit verwendet. Denn eine Strategie steht über der Taktik und Taktik steht über den einzelnen Handlungen.
Doch was ist jetzt Strategie eigentlich? Ein Thema, das uns spätestens seit der Teilnahme an den Level C Masterclasses immer wieder beschäftigt.1 Denn wie wir bereits gesehen haben, ist es nicht ganz einfach die Begriffe auseinander zu halten. Wobei die Erklärung von Taktik und Maßnahmen noch relativ einleuchtend erscheint, so ist es mit einer Definition von Strategie schon deutlich schwerer.
Auf der Suche nach einer Definition: Von Sun Tzu zu Roger Martin
Die Strategieliteratur ist voll von poetischen Formulierungen. Sun Tzu wird oft zitiert: „Jeder kann die Taktik erkennen, mit der ich siege, aber niemand sieht die Strategie, die zum Sieg führt.“ Solche Aussagen mögen inspirierend sein, sind aber doch recht kryptisch und bieten wenig praktische Orientierung.
Der Durchbruch kommt mit Roger Martins wegweisendem Video „A Plan Is Not a Strategy“.2 Martin, ehemaliger Dean der Rotman School of Management und strategischer Berater von Unternehmen wie Procter & Gamble, Lego und Ford, bringt es auf den Punkt: Die meisten Unternehmen verwechseln Planung mit Strategie.3
Strategie Definition: Eine fundamentale Idee für den Erfolg
Basierend auf Martins Erkenntnissen entwickelte Axel folgende allgemein anwendbare – nicht auf Unternehmensstrategie begrenzte – Definition:

„Eine Strategie ist eine fundamentale Idee, was man anders macht, um ein gestecktes Ziel zu erreichen.“
– Axel Schwarz, Markenarchitekt, Workshopper Master, mut. Büro für Geschäftsdesign
Diese Definition erscheint zunächst simpel, doch jedes Wort ist bewusst gewählt:
„Fundamentale Idee“
Strategie ist keine Auflistung von Aktivitäten, sondern eine grundlegende Idee. Sie bildet das Fundament, auf dem alle taktischen Überlegungen aufbauen. Die Planung erfolgt nach der strategischen Idee, nicht umgekehrt. Alle Entscheidungen, die der Umsetzung dienen, basieren auf dieser Grundlage. Taktik ist das, was konkret getan wird, um die Strategie umzusetzen.
„Was man anders macht“
Hier liegt der Kern jeder echten Strategie: Anders im Vergleich zur Vergangenheit, zur aktuellen Situation oder zur Konkurrenz. Eine Strategie muss immer eine Entscheidung zwischen validen Optionen sein. Dasselbe zu tun – wie bisher oder wie alle anderen – ist vielleicht eine Entscheidung, aber keine Strategie.
„Gestecktes Ziel zu erreichen“
Ohne ein konkretes Ziel braucht es keine Strategie. Roger Martin spricht von „Playing to win“, was sich als „auf Sieg spielen“ übersetzen lässt.4 Die zentrale Frage lautet: Wie wird ein Sieg definiert? Diese Frage zu beantworten ist oft schwieriger, als es zunächst erscheint.
Gegenteil-Test: Echte Strategien von Pseudo-Strategien unterscheiden
Um sicherzustellen, dass eine Strategie wirklich strategisch ist, empfiehlt sich der „Gegenteil-Test“ – ein Konzept, das auch in den Level C Masterclasses vermittelt und von Roger Martin bekanntgemacht wurde.5
Die Regel ist einfach: Wenn das Gegenteil einer strategischen Aussage offensichtlicher Unsinn ist, dann handelt es sich nicht um eine echte Strategie.
Beispiele verdeutlichen das Prinzip:
- Die Aussage: „Wir sind maximal Kund:innenorientiert.“
Das Gegenteil: „Wir ignorieren unsere Kund:innen.“
Ergebnis: Keine echte Strategie. - Die Aussage: „Wir sind nachhaltig und umweltfreundlich.“
Das Gegenteil: „Wir sind verschwenderisch und umweltschädlich.“
Ergebnis: Keine echte Strategie.

An Kund:innenorientierung und Nachhaltigkeit ist nichts falsch. Aber es ist keine Basis für eine strategische Entscheidung. Weil es nichts zu entscheiden gibt! … und es deshalb alle anderen auch so machen.
Beispiele echter strategischer Entscheidungen
Eine Strategie ist nur dann eine Strategie, wenn man dabei eine Entscheidung treffen muss. Und dafür müssen beide Optionen Sinn ergeben. Gibt es Konkurrent:innen, die mit dem Gegenteil erfolgreich sind? Ist das der Fall, kann man hier einen signifikanten Abstand zur Konkurrenz herstellen.
Historische Beispiele verdeutlichen dies:
- Microsoft: „Software for Corporate America.“
Apple: „… for the rest of us.“6 - Adobe: „Volldampf voraus bei generativer KI.“
Savage Interactive (Procreate): „KI ist nicht unsere Zukunft.“ - 80er Jahre NFL: „Laufspiel für kurzen Raumgewinn, Passspiel für langen.“
Bill Walsh: „Präzises Kurzpassspiel statt Laufspiel.“ (West Coast Offense)

Plan vs. Strategie: Der entscheidende Unterschied
Roger Martin erklärt in seinem einflussreichen Video einen entscheidenden Unterschied: Pläne befassen sich mit kontrollierbaren Ressourcen – Kosten, Mitarbeiter, Investitionen. Das fühlt sich sicher an, weil es kontrollierbar ist.7
Strategie hingegen definiert ein angestrebtes Wettbewerbsergebnis – und das involviert Kund:innen, die nicht kontrollierbar sind. Diese Unsicherheit ist unbequem, aber genau hier liegt die transformative Kraft echter Strategie.

Geschäftsdesign: Strategie als Fundament für Unternehmenserfolg
Geschäftsdesign ist ein ganzheitlicher Ansatz zur strategischen Entwicklung oder Transformation von Unternehmen. Es verbindet Methoden aus Design, Innovationsmanagement und Systemdenken, um Geschäftsmodelle, Produkte und Services konsequent kundenzentriert, iterativ und interdisziplinär zu gestalten. Ziel ist es, langfristige Differenzierung und echte Wertschöpfung zu ermöglichen.8
Dieser Ansatz ist inspiriert von Denkern wie Marty Neumeier, der die Verbindung zwischen Design und Business als entscheidenden Hebel für unternehmerischen Erfolg beschreibt.9 Geschäftsdesign setzt genau dort an. Es macht strategisches Denken zur kreativen Praxis und bildet den Ausgangspunkt für unternehmerische Gestaltung.

Strategische Entscheidungen treffen: Mut zur Differenzierung
Strategie erfordert Mut (Wortspiel nicht beabsichtigt). Entschlossenheit zur klaren Positionierung. Bereitschaft zur Differenzierung. Die Konsequenz, auf bestimmte Optionen zu verzichten, um bei anderen zu gewinnen.
In einer sich beschleunigenden Welt ist eine klare Strategie wichtiger denn je. Sie schafft Orientierung, fokussiert Ressourcen und ermöglicht Differenzierung.
Die Definition von Axel – eine fundamentale Idee, was man anders macht, um ein gestecktes Ziel zu erreichen – bietet dafür einen klaren Rahmen und macht Strategie greifbar. Dieser Rahmen bildet die Grundlage für konsequentes Handeln und nachhaltigen Erfolg.
Fazit: Strategie bedeutet eine bewusste Entscheidung zu treffen
Strategie ist weder Wunschliste noch Plan noch Sammlung von Best Practices. Strategie ist die bewusste Entscheidung, einen anderen Weg zu gehen, um zu gewinnen.
Die entscheidende Frage lautet: Mit welcher strategischen Entscheidung schafft ein Unternehmen dauerhafte Differenzierung im Wettbewerb?
Quellen
- Level C ist ein von Marty Neumeier und Andy Starr gegründeter Anbieter von Masterclasses im Bereich Brand Strategy. URL: https://levelc.org
- Martin, Roger L. „A Plan Is Not a Strategy“. Harvard Business Review Video, 2022. Das Video hat seit 2022 über 4 Millionen Aufrufe erreicht. URL: https://www.youtube.com/watch?v=iuYlGRnC7J8
- Martin, Roger L. Biografische Information verfügbar unter: https://rogerlmartin.com/
- Lafley, A.G. und Martin, Roger L. „Playing to Win: How Strategy Really Works“. Harvard Business Review Press, 2013.
- Der Gegenteil-Test ist ein Konzept, das Roger Martin in verschiedenen Artikeln und Vorträgen entwickelt hat. Er wird auch in den Level C Masterclasses gelehrt.
- Apples berühmter Slogan „… for the rest of us“ wurde während der Einführung des Macintosh 1984 verwendet.
- Martin, Roger L. „The Difference Between a Plan and a Strategy“. Harvard Business Review Podcast, Mai 2023. URL: https://hbr.org/podcast/2023/05/the-difference-between-a-plan-and-a-strategy
- Lafley, A.G. und Martin, Roger L. „Playing to Win: How Strategy Really Works“. Harvard Business Review Press, 2013. Die Five-Choice-Cascade ist das Kernkonzept des Buches.
- mut. Büro für Geschäftsdesign. URL: https://mut.agency/
- Neumeier, Marty. „The Brand Gap: How to Bridge the Distance between Business Strategy and Design“. New Riders Press, 2003.